Wenn ein Unternehmen in Liechtenstein Wertpapiere öffentlich anbietet oder diese zum Handel an einem geregelten Markt zulassen möchte, muss dafür in der Regel ein Wertpapierprospekt erstellt und von der Finanzmarktaufsicht gebilligt werden. Dieser dient vor allem dem Anlegerschutz: Er soll sicherstellen, dass potenzielle Investoren alle wesentlichen Informationen erhalten, um eine fundierte Anlageentscheidung treffen zu können.
In diesem Blogbeitrag geben wir einen praxisnahen Überblick, was Emittenten in Liechtenstein wissen müssen.
1. Prospektpflicht:
Wann ist ein Wertpapierprospekt erforderlich?
Ein Prospekt ist grundsätzlich erforderlich, wenn:
- Wertpapiere im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) öffentlich angeboten werden, oder
- Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zugelassen werden sollen.
Ein öffentliches Angebot von Wertpapieren kann bereits dann vorliegen, wenn ein Unternehmen aktiv dafür Werbung macht oder sich an eine grössere Anzahl potenzieller Investoren richtet – etwa durch Veranstaltungen, Social Media, Newsletter oder die Website.
Gibt es Ausnahmen von der Prospektpflicht?
Ausnahmen von der Pflicht zur Erstellung eines Wertpapierprospekts gelten in folgenden Fällen:
- Der Gesamtgegenwert des öffentlichen Angebots in der EU/EWR pro Mitgliedsstaat beträgt weniger als EUR 1.000.000 innerhalb von 12 Monaten.
- In Liechtenstein liegt der Gesamtgegenwert des öffentlichen Angebots unter EUR 8.000.000 (oder dem entsprechenden Wert in Schweizer Franken) innerhalb von 12 Monaten.
- Das Angebot richtet sich ausschließlich an qualifizierte Anleger.
- Pro Mitgliedsstaat richtet sich das öffentliche Angebot an weniger als 150 nicht qualifizierte Anleger.
- Mindestbetrag von EUR 100.000 je Angebot und Anleger.
- Mindeststückelung von EUR 100.000.
Falls keine dieser Ausnahmen zutrifft, muss der Emittent einen Prospekt erstellen.
2. Welche Arten von Wertpapierprospekten gibt es?
Je nach Art des Angebots und Unternehmens gibt es verschiedene Formen von Wertpapierprospekten. Die EU-Prospektverordnung, die auch in Liechtenstein anwendbar ist, unterscheidet dabei folgende Prospektformen:
a. Vollständiger (regulärer) Prospekt
Die klassische Form des Wertpapierprospekts bildet den Standardfall und kommt zur Anwendung, sofern keine der anderen Prospektformen genutzt werden kann/soll.
b. Basisprospekt
Ein Basisprospekt kann verwendet werden, wenn ein Emittent plant, mehrere Emissionen gleicher Wertpapierart über einen bestimmten Zeitraum (bis zu 12 Monate) durchzuführen.
Anstelle für jede einzelne Emission einen eigenen Prospekt zu erstellen, können die Angebote auf Basis eines einzigen genehmigten Dokuments – dem Basisprospekt – abgewickelt werden. Darin sind die grundsätzlichen Informationen über den Emittenten und das Wertpapier beschrieben.
Die konkreten Eckdaten der jeweiligen Emission (wie Volumen, Laufzeit, Zinssatz etc.) werden dann in den endgültigen Bedingungen („Final Terms“) ergänzt.
c. Der EU-Wachstumsprospekt
Was ist ein EU-Wachstumsprospekt?
Der EU-Wachstumsprospekt ist ein vereinfachter Wertpapierprospekt, der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie bestimmten Emittenten mit mittlerer Marktkapitalisierung (Mid Caps) den Zugang zum Kapitalmarkt erleichtert.
Der EU-Wachstumsprospekt bietet einen schlanken, kosteneffizienten und regulatorisch abgespeckten Weg, um Wertpapiere öffentlich anzubieten oder zum Handel zuzulassen – bei gleichzeitigem Schutz der Anleger.
Wer kann den EU-Wachstumsprospekt nutzen?
Zur Nutzung des EU-Wachstumsprospekts müssen Unternehmen folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Bisher keine Wertpapiere, die an einem geregelten Markt zugelassen sind.
- Status als „privilegiertes“ Unternehmen gemäß der EU Prospektverordnung:
Privilegierte Unternehmen nach der EU Prospektverordnung sind:
- Klein- und Mittelunternehmen (KMU): Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten, einer Bilanzsumme von höchstens EUR 43 Millionen oder einem Jahresnettoumsatz von höchstens EUR 50 Millionen. Auch Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung unter EUR 200 Millionen zählen dazu.
- Emittenten mit Wertpapieren an einem KMU-Wachstumsmarkt und einer Marktkapitalisierung unter EUR 500 Millionen.
- Andere Emittenten, deren öffentliches Angebot in der EWR einen Gesamtgegenwert von maximal EUR 20 Millionen innerhalb von 12 Monaten erreicht und deren durchschnittliche Beschäftigtenzahl im letzten Geschäftsjahr bis zu 499 betrug.
3. Prospektinhalt: Was muss ein Wertpapierprospekt beinhalten?
Unabhängig von der Prospektform gilt: Ein Wertpapierprospekt muss alle wesentlichen Informationen enthalten, die ein durchschnittlicher Anleger braucht. Dazu gehören insbesondere:
- Angaben zum Emittenten: Geschäftstätigkeit, Geschäftsleitung, Risiken, Jahresabschlüsse.
- Informationen zu den Wertpapieren: Art, Rechte, Laufzeit, Verzinsung, Rückzahlung.
- Risikofaktoren: Markt-, Kredit-, Liquiditäts- und rechtliche Risiken.
- Verwendung der Emissionserlöse.
- Zusammenfassung in einfacher, verständlicher Sprache.
Der Inhalt muss vollständig, objektiv, verständlich und nicht irreführend sein.
4. Exkurs: Security Token
Was ist ein Security Token?
Ein Security Token ist ein digital ausgegebener Vermögenswert, der wirtschaftlich den Merkmalen eines klassischen Wertpapiers entspricht – etwa einer Anleihe, Aktie oder Genussrecht. Im Gegensatz zu traditionellen Wertpapieren wird der Security Token typischerweise über eine Blockchain oder ein vergleichbares Distributed-Ledger-System (DLT) ausgegeben und verwaltet.
Entscheidend ist nicht die technische Form, sondern die Funktion (substance-over-form): Ein Security Token vermittelt dem Inhaber etwa Rückzahlungsansprüche, Gewinnbeteiligungen, Stimmrechte oder ähnliche finanzielle Rechte, die vergleichbar sind zu Rechten welche durch klassische Wertpapiere vermittelt werden.
Benötige ich einen Wertpapierprospekt für die Ausgabe eines Security Token?
Nachdem ein Security Token als Wertpapier qualifiziert wird, sind dieselben Voraussetzungen für ein öffentliches Angebot oder die Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), wie bei einem klassischen Wertpapier anwendbar.
Für den Security Token muss daher auch ein Wertpapierprospekt erstellt werden, sofern keine Ausnahme vorliegt.
Ist MiCAR für Security Token anwendbar?
Nein, MiCAR gilt nur für Kryptowerte, nicht jedoch für Security Token. Diese sind explizit vom Anwendungsbereich der MiCAR ausgenommen.
Für einen Security Token ist daher kein Krypowerte-Whitepaper zu erstellen, sondern ein Wertpapierprospekt.
5. Billigung und EU-Passporting
Die FMA prüft Prospekte auf Vollständigkeit, Kohärenz und Verständlichkeit.
Nach Einreichung aller erforderlichen Unterlagen entscheidet die FMA innerhalb von 20 Arbeitstagen. Ein gebilligter Wertpapierprospekt kann durch die FMA auch in andere EU/EWR-Länder notifiziert werden, was ein öffentliches Angebot in diesen Ländern ermöglicht.
6. Fazit
Für Emittenten in Liechtenstein ist die Prospektpflicht bei öffentlichen Wertpapierangeboten zu beachten. Je nach Umfang und Art des Angebots bieten verschiedene Prospektarten flexible und effiziente Lösungen. Ein vollständiger, klar strukturierter Prospekt schafft Vertrauen bei Anlegern und sichert den Zugang zum Kapitalmarkt.
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